Piraten nehmen Kurs auf Commons

Piraten Abstimmung Parteitag Hessen CC BY SAGroße Veränderungen brauchen eine gehörige Portion Hoffnung, Optimismus und irgendwie auch Vorfreude darauf, dass etwas besser oder zumindest anders wird. Aber wer verbreitet das? So oder ähnlich fragte Günther Dück während seines Aufrufs zum metakulturellen Diskurs auf der letzten Re:publica.

Obiger Erkenntnis geschuldet tue ich manchmal genau das (und werde von hhh gern dafür kritisieren ;-). Und manchmal orakele ich sogar ein bisschen rum. Nicht unbegründet freilich, sondern mit Blick auf die Anzeichen von Veränderungen, die noch so vor sich hindümpeln und engagierte Menschen brauchen, ihnen zum Durchbruch zu verhelfen.

In unserem Beitrag zum Band Unter Piraten von Christoph Bieber und Claus Leggewie, schrieb ich – gemeinsam mit Daniel Constein:

„Die Chancen für eine deutlichere Hinwendung der Piraten zu den Commons stehen nicht schlecht. Einerseits ermöglicht die offene Programmdebatte praktisch jederzeit, eine Grundsatzdebatte anzustoßen. Andererseits verführt die anstehende Europawahl 2014 zu dem Gedanken, die Commons zum Kernbegriff eines europäischen Piratenprogramms zu entwickeln.“ (hier geht’s zum Artikel, der erklärt, wie wir zu diesem Fazit kommen)

Bis zur Europawahl ist es noch ein Stück, aber die Piratenpartei Deutschland hat  am 11.05.2013 schonmal den Wahlprogrammantrag WP138 (Modul 5 Arbeit und Soziales) schonmal mit 2/3 Mehrheit angenommen. (Quelle)

Darin enthalten:

Commons (Gemeingüter): Vorfahrt für Kooperation, Selbstorganisation und Gemeinsinn

Die Piraten setzen sich dafür ein, Freiräume für Selbstorganisation zu schaffen, Verantwortung zu teilen und Institutionen nachhaltig und erfolgreich zu organisieren.

Dazu sollen die Möglichkeiten und Grenzen kooperativer Organisationsmodelle (sog. „Commons“) zur nachhaltigen Nutzung gemeinsamer Ressourcen in einem fortlaufenden Prozess überprüft, und Institutionen bei Bedarf reformiert oder neu geschaffen werden.

Commons als Bildungsaufgabe verstehen

Die Inhalte und Konzepte von nach Commons-Prinzipien gestalteten Organisationsmodellen und Institutionen sind zum Lernziel in Bildungseinrichtungen und -projekten zu machen. Dazu können wir auf viele hervorragende Beispiele, auch aus Deutschland, zurückgreifen.

Vor allem aber sollen bereits die Schülerinnen und Schüler die Praxis gemeinsamer Verantwortungsübernahme und Entscheidungsfindung üben.

Mit Commons Teilhabe ermöglichen

Vorhandene Gemeingüter müssen erhalten, fortentwickelt und gemehrt werden. Verlust von Gemeingut ist zu vermeiden. Ist Gemeingut verloren gegangen, so ist die Gesellschaft aufgerufen, es sich wieder anzueignen.

Besonders Menschen mit geringem Einkommen benötigen öffentliche Plätze und Einrichtungen(2). Parks, Spielplätze, Marktplätze, Gemeindezentren, Schwimmbäder, Gemeinschaftsgärten(3), öffentliche Sportplätze oder einfach nur Freiräume bieten Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe.

In Regionen mit demografisch kritischen Prognosen sind innovative Formen des sozialen Miteinanders zu fördern, etwa in Form von Gemeinschaftszentren. Weder für Muße, noch für Freiraum braucht man eine Rechtfertigung. Freiraum ermöglicht Kreativität, aber auch Ruhe. Und das brauchen wir. Das ist menschlich.
Commons Vorrang gewähren

Vor einer Privatisierung oder Verstaatlichung gesellschaftlicher Aufgabenbereiche ist im Einzelfall zu prüfen, ob Selbstorganisation und Selbstverwaltung möglich wäre. Bei gleicher oder besserer Eignungsprognose ist diesen Vorrang zu gewähren.

Commons-Projekte anleiten und unterstützen

Alle Ebenen wirtschaftspolitischer Entscheidungs- und Verwaltungsstrukturen sind mit entsprechendem Fachwissen auszustatten. Diese Stellen werden so in die Lage versetzt, Selbstverwaltungsprojekte bei der Institutionenfindung und -umsetzung zu beraten, zu unterstützen und zu fördern oder etwaige Konflikte zu moderieren.

Quelloffene Software in der Verwaltung einsetzen

Für die öffentliche Verwaltung ist der Einsatz quelloffener Software grundsätzlich vorzuziehen. Nur wenn in speziellen Fällen schwerwiegende Gründe gegen einen Einsatz quelloffener Software sprechen, sollen proprietäre Lösungen erwogen werden.

Bei Neuanschaffungen und Aufrüstungen sind freie Alternativen stets zu prüfen. Ausschreibungen sind entsprechend zu gestalten. Die einzelnen Behörden sollen bei der Umstellung auf offene Software unterstützt werden. Ein Vorbild hierfür kann die Landeshauptstadt München mit dem Projekt LiMux sein.
Daten offenlegen

Daten bilden die Grundlage politischer Diskussion. Ihre Gewinnung wird oft durch Steuergelder finanziert, wie z.B. bei Verkehrs- und Umweltdaten und den öffentlichen Haushalten.

Diese Daten gehören den Bürgerinnen und Bürgern. Ihre zeitnahe, umfassende und niederschwellige Veröffentlichung ist die Grundlage dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger sich im Bedarfsfall in die politische Diskussion einmischen können.

Diese Veröffentlichung soll gemeinfrei in einem bundesweit einheitlichen Datenportal erfolgen. Von Antragsverfahren, einschränkenden Lizenzmodellen und Gebühren ist dabei generell abzusehen. Die Weiterverbreitung und auch die kommerzielle Nutzung sollen ausdrücklich gestattet werden. Neben für die Lektüre aufbereiteten Formaten sollen die Daten auch in freien maschinenlesbaren Formaten angeboten werden, die sich für die maschinelle Weiterverarbeitung und Aufbereitung eignen.

Internationale wissenschaftliche Vernetzung verbessern

Der Umsetzung, der in den vorangehenden Absätzen genannten Programmpunkte, sind jeweils die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Commons-Forschung zugrunde zu legen. Anleitende und umsetzende Institutionen sollen sich hierzu in nationalen oder internationalen Verbänden oder Forschungseinrichtungen engagieren und entsprechende organisatorische Zuständigkeiten im Rahmen ihrer Verwaltung schaffen.

Staatliche Institutionen haben in ihren Jahresberichten zu Aktivität und Fortschritten auf diesem Gebiet öffentlich Rechenschaft zu legen.
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Liebe Piraten, Commonskurs halten! (Und dazu könntet Ihr tatsächlich die Grüne Jugend ganz gut gebrauchen und diese Euch, aber da ist wohl was schief gelaufen in der Kommunikation.)

Zum Wiki der AG Commons der Piraten.  Commons aus piratiger Sicht kommentiert Lennstar. Und x-politics bringt sicher auch bald was.

Das Foto (CC BY SA) ist  nicht vom Bundesparteitag, sondern vom Landesparteitag der Piratenpartei Hessen in Butzbach am 08.12.2012. Der Fotograph ist Joachim S.Müller

Ein Gedanke zu „Piraten nehmen Kurs auf Commons

  1. Sowas wie ein „BGE light“ ist in dem Modul auch drin. Was für Commons ja durchaus nützlich sein kann.
    Insgesamt ist das Modul 5 in meinen Augen etwas sehr Schönes. Kleinigkeiten hätte ich anders gemacht, aber das ist immer so.

    Die Commons-Buch Beiträge sind bei mir übrigens mit dem Tag Common-PMS auffindbar. Falls der geneigte Commons-Leser nüscht mit dem Piratenkram zu tun haben möchte 😉

    Falls doch: die Piraten im (Ost)Harz versuchen gerade eine Buchbar (Little Free Library) zu organisieren. Wer dort helfen könnte/möchte, möge sich an die Piraten Harz wenden.

    [Hüstel: Wahlwerbung: Meine Wenigkeit ist Direktkandidat für den Wahlkreis 71 (Anhalt), wer also dort wohnt und einem Commons-Fan seine Stimme geben möchte, kann Piraten ankreuzen. /Wahlwerbung]

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