Onlinepetition gegen Gewässerprivatisierung: JETZT!

Ich bin gerade in El Salvador. Hier kann man gut studieren, was passiert, wenn man sich weigert, etwas als Gemeingut wahrzunehmen. Beispiel: der Zugang zu Gewässern im Däumling Lateinamerikas. Wer zum Strand fährt, sieht statt des Meeres Mauern. Alles zugepflastert. Privateigentum. Kein Platz für die Allgemeinheit. Der Zugang zum Meer oder zum wundervollen Lago de Coatepeque kostet Geld (indem man sich in ein Hotel einmietet oder in einem Restaurant speist) oder wird auf die weniger attraktiven Orte verdrängt. (Mehr hier.) Ähnlich sieht es am Ilopango aus.
Auch in Deutschland steht die Privatisierung der Gewässer auf der Tagesordnung. Dagegen gibt es Widerstand, doch einer Internetpetition gegen das Voranschreiten derselben droht noch diese Woche das Scheitern.

„Vier Tage vor Ablauf der Unterschriftenfrist für den Aufruf an den Bundestag hätten sich erst gut 5.400 Unterstützer eingetragen,… sagte Axel Kruschat vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am Montag. Bis Freitag müssen mindestens 50.000 Onlineunterschriften zusammenkommen, damit sich der Bundestag mit dem Thema befasst. Mit der Petition soll der Bundestag zu einem Moratorium beim Verkauf weiterer Seen in den neuen Bundesländern bewegt werden. Damit soll der Zugang der Allgemeinheit zu den Gewässern gesichert werden.“ (vía epd)

Kein Zweifel, den Ökos fehlt es an Netzaffinität. Sie nutzen die Möglichkeiten des Web 2.0 viel zu wenig für ihre Anliegen.

Also: Hier der Link zum unterschreiben (trotz Registrierungsprocedere nur ca 5 Minuten). Und im Folgenden noch ein Interview mit dem Initiator der Petition, Carsten Preuss. Ich habe das Interview per mail bekommen,  Quelle unbekannt, Hervorhebungen sind von mir:

Warum keine Seen privatisieren?

Sie reichten beim Bundestag eine Online-Petition gegen die weitere Privatisierung von Gewässern in Ostdeutschland ein. Warum?

C.P. Den Anlass bot ein Fall in der Nähe meiner Heimatstadt Zossen in Brandenburg. Hier droht der Verkauf des 270 Hektar großen Mellensees durch die bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) (Anmerkung. S.H.: Vielsagend – dieser Name. Ich schlage eine Umbenennung in Bodennutzungsgesellschaft vor), deren Aufgabe die Privatisierung ehemals volkseigener Flächen ist. Zwar hatte das Bundesamt für offene Vermögensfragen diesen See dem Land Brandenburg zugeschlagen. Doch die BVVG klagte dagegen. So bleibt die Eigentumsfrage offen. Die Gemeinde Am Mellensee möchte zum Beispiel einen großen Steg bauen, scheut nun jedoch die Investition, weil die Zukunft unklar ist. Der BVVG ist ihr Vorgehen nicht anzulasten. Sie handelt lediglich auftragsgemäß. Der Fehler wurde beim Einigungsvertrag gemacht und hier muss die Politik einen Riegel vorschieben. In den vergangenen zehn Jahren wurden 10 000 Hektar Gewässer für insgesamt 15 Millionen Euro verkauft. Geplant ist, in den nächsten Jahren weitere 15 000 Hektar zu privatisieren.

Was könnte die Folge sein?

C.P. Nachdem der nördlich von Berlin gelegene Wandlitzsee im Jahr 2003 privatisiert wurde, verlangte der neue Eigentümer, eine Düsseldorfer Immobiliengesellschaft, von den Anliegern erhebliche Gebühren dafür, dass sie ihre eigenen Stege weiter benutzen dürfen. In einem anderen Fall ließ der neue Eigentümer den See vermessen und fand heraus, dass der Wasserspiegel gesunken war. Die übrigen Meter bis zum Ufer sollten die Besitzer der anliegenden Grundstücke für horrende Beträge kaufen, wenn sie weiter Zugang zum Wasser haben wollten.

Was ließe sich dagegen tun?

C.P. Der Bundestag müsste beschließen, dass zunächst keine Gewässer mehr verkauft werden. In der Zwischenzeit sollte gesetzlich festgelegt werden, dass Gewässer als sogenanntes Verwaltungsvermögen anzusehen sind und den Gemeinden, Städten, Kreisen oder Ländern kostenlos übertragen werden sollen, wenn diese das wünschen. Das ist der Inhalt meiner Petition. Sie steht seit dem 11. Juni unter https://epetitionen.bundestag.de %5Bhttps://epetitionen.bundestag.de/%5D im Internet. Bis zum 24. Juli kann man dort elektronisch unterschreiben. 50 000 Unterstützer sind erforderlich.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Verwaltungsvermögen?

C.P. Dabei handelt es sich um Vermögen, dass laut Einigungsvertrag den Kommunen zugeordnet wurde, zum Beispiel Gebäude wie die Rathäuser. Seen fallen leider selten in diese Kategorie, nur, wenn sie zu einem Stichtag überwiegend touristisch genutzt wurden. Aber da fängt der Ärger schon an. Am Mellensee gibt es mehrere Freibäder und Badestellen, es werden Wasserfahrräder an Ausflügler verliehen und früher hatten dort etliche Firmen ihre Betriebsferienheime. Trotzdem wird juristisch darum gestritten, ob der See vornehmlich dem Tourismus diente.

Was erhoffen Sie?

C.P. Ich bin guter Dinge, die Marke von 50 000 Unterschriften zu erreichen. … Im Bundestag sind leider nur die LINKE und die Grünen auf meiner Seite. Die Grünen verlangen, erst einmal keine Seen mehr zu verkaufen. Ihr Antrag wurde in die Ausschüsse überwiesen. Die FDP bemerkte dazu, Eigentum sei eine Säule der Marktwirtschaft. Nun gilt es vor der Bundestagswahl die Gewässerprivatisierung zum Thema zu machen.

Foto: Wandlitzsee, by Marco Kahlund Lizenz: CC: BY SA

8 Gedanken zu „Onlinepetition gegen Gewässerprivatisierung: JETZT!

  1. Es ist unverständlich, das manche Menschen alles besitzen müssen
    Ein See hat die Natur gestaltet und deshalb gehört ein
    See allen Menschen zur uneingeschränkten Nutzung. Dazu gehört für mich auch die Uferpromenade.

  2. Pingback: Gewässerprivatisierung » Denkbeteiligung

    • … wollte neulich einen Spaziergang um den Wandlitzsee machen… Ist nicht mehr möglich, denn Anglervereine, Laubenpieper, Kampfhundbesitzer, Selbstschussinstallierer und ähnliche Möchtegernkapitalisten verwehren den Zutritt.
      Zu Fontanes Zeiten („Wanderungen durch die Mark“) wäre dieser Irrsinn nicht möglich gewesen. Das letzte Hemd hat bekanntlich keine Taschen; dies allen Immobilisten in´s Stammbuch!
      Fontane, läge er noch dort, würde im Grab rotieren…

  3. Es ist unfaßbar mit welcher Verantwortungslosigkeit gewählte
    Vertreter des Volkes das Gemeineigentum dem Gemeinwesen entreißen lassen! Die Petition muß Erfolg haben. Die zügellose
    Liberalisierung zerstört zunehmend die soziale Ausgewogenheit in unserer Gesellschaft immer mehr.
    Mit bestem Gruß
    Dieter

  4. Aktuelles Update:
    Brandenburg scheint sich mit der Bundesregierung zu einigen.
    In Mecklnburg-Vorpommern haben sich die Verkaufsnebel noch nicht gelichtet, geschweige denn bewegt.
    Mehr Ifos zum Thema sind auf der Website zu finden.
    Ich schließe mich Dieter an mit seiner zornigen, leider zutreffenden Feststellung:“Es ist unfaßbar mit welcher Verantwortungslosigkeit gewählte Vertreter des Volkes das Gemeineigentum dem Gemeinwesen entreißen lassen! Die Petition muß Erfolg haben,“. Das hatte sie, den sie ist inden palamentarischen Mühlen gelandet/gestrandt(?).
    Liberalisierung zerstört zunehmend die soziale Ausgewogenheit in unserer Gesellschaft immer mehr.

    An diesem Wochenende geht die Volksabstimmung, iniitiiert vom Berliner Wassertisch, hoffentlich erfolgreich aus.

    Die Ressource Wasser ist Gemeineigentum, Kulturgut und nach meinem Verständnis nicht zur Privatisierung freizugeben.
    Wann gibt es endlich eine bundesweite Volksabstimmung zu diesem Thema?.
    Wie zornig müssen wir Bürger noch werden? – Dieses Jahr stehen diverse Wahlzettel zum Ankreuzen an, messen wir die zur Wahl Stehenden an ihren Worten und Taten!

    mit bestem Gruß
    Frank Röwekamp

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