Des Unternehmers Versagen – des Commoners Erfolg

Michael Tuck (mit Mikro) ist Projektmanager bei History Commons. (vía) Dort arbeitet er als Forscher und Autor unter dem Pseudonym „blackmax“  Tuck unterrichtet Englisch, Geschichte und EDV in „alternativen Schulen“ (für Schüler, die überall anders rausfliegen. Nur wenige Lehrer halten dort durch.) Tuck stellte History Commons erstmals in Europa vor. Und zwar… auf dem Elevate Festival, wo ich ihn kennen lerne. Ich bin zwar neugierig, verpasse aber seinen Auftritt, weil mein Hirn -im Gegensatz zu dem von Michael Tuck- keine Festplatte ist.

Michael Tuck ist einer, der aussieht, ißt und redet wie ein Bücherwurm. Er hat keine Zeit für Äußerlichkeiten, keine für’s Essen und keine für’s langsam Sprechen. Stattdessen hat er für eine 5-Tagesreise nach Europa trotz internationaler Konferenz 5 Bücher im Gepäck hat. Die liest er auch alle – trotz Diskursdauerfeuer und Kulturstadt drumrum. Genauer: er verarbeitet sie – auf History Commons. Tuck ist Einer der auf die Frage, ob er das immer so mache, anwortet: „Ja natürlich, was sonst?“

Ich treffe ihn beim Frühstück. Mit der Nase im Buch und dem etwas achtlos belegten Schinkenbrötchen daneben. In der Hotellobby am Abreistag (alle zerschossen von Elevate, außer Michael), wieder mit der Nase im Buch (natürlich in einem anderen), eifrig Notizen machend „You are working?“ „Always.“ Es gibt keinen Grund, eine Sekunde daran zu zweifeln.

Und trotzdem fehlt ihm das junkiemäßige. Sobald ein persönliches Gespräch aufkommt, ist Michael mitten drin – wie in den Seiten eines Buches. Wir reden über Elevate, darüber, was mir mitnehmen. Michael Tuck erzählt von einem Gespräch mit Kaitlin Thaney von Science Commons (die einzige Lady auf dem Foto). Es muss um die Frage gegangen sein, was Commons ausmacht, was uns an dem Thema umtreibt.

Die Erkenntnis, die Michael Tuck in diesem Gespräch gewinnt, hat viel mit der Substanz der Commons zu tun.

Sein Vater hätte sich Zeit seines Lebens als Versager emfpunden. Er hatte sich als Unternehmer versucht – in einem Umfeld, in dem dies die Norm war. Erfolgreiches Unternehmertum wurde am Wachstum von Umsatz, Haus und Hubraum gemessen. Die meisten in seiner Umgebung seien damit ganz gut gefahren. Mehr Umsatz, mehr Haus, mehr Hubraum. Es hat in den unternehmerischen Versuchen von Tucks Vater viele Niederlagen gegeben, ebensoviele Versuche wieder aufzustehen. Aber nie den ersehnten Erfolg.

Er habe sehr darunter gelitten und sei in der Überzeugung gestorben, ein Versager gewesen zu sein, sagt Michael und fügt hinzu: „Tatsächlich war er ein Versager – aus der Perspektive dessen, was Erfolg in diesem Umfeld bedeutete.“ Ein Versager aus der Perspektive des Wachstums und des Hubraums.

Tuck wird klar: Das Ziel war falsch, es war für seinen Vater falsch – auch wenn er dies Zeit seines Lebens nicht erkannt habe. Er konnte nicht erfolgreich sein. Er „war nicht so“. Er war im Kern ein „commoner“. Und aus dieser Perspektive misst sich Erfolg anders.

PS: History Commons („a small part of a much larger community, doing what we can to promote truth, honesty, and full disclosure“) ist ein – höchst „erfolgreiches“ – Experiment des BürgerInnenjournalismus. Die selbstorganisierte Gruppe der history commoners muss man sich ein bisschen vorstellen wie Michael Tuck, nur mit weniger Privatleben. Einige von ihnen lebten „in mothers basement“, sagt Michael, um mich schnell ins Bild zu setzen. Sie würden ihr Leben vor dem Rechner verbringen, seien aber wunderbar…. Sie recherchieren gelebte Geschichte, greifen Nachrichten auf, gehen ihnen nach, publizieren, was normalerweise nicht publiziert wird. Kurz: Sie schreiben Gegenwartsgeschichte von unten. Und sie kontrollieren Medien und Poltik. Auch von unten. Ich weiss nichts vom Kontostand und Hubraum der Leute um Michael Tuck, aber sie sind – kein Zweifel – grandiose commoners.

Foto on flickr by ekai

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