Information: Droge, Ware oder Commons

Rainer Kuhlen, UNESCO Chair in Communications an der Uni Konstanz, schreibt und spricht unermüdlich über Wissen und Information als Gemeingut. Zum Beispiel zur Eröffnung des 11. Internationalen Symposiums der Informationswissenschaft.

„Information: Droge, Ware oder Commons? Wertschöpfungs- und Transformationsprozesse auf den Informationsmärkten“

In Richtung einer Begründung der Informationswissenschaft durch die Bestimmung von Wissen und Information als Commons.

Hier der Link zur Präsentation. Da tauchen viele Fragen auf, die wir im Allmendesalon diskutieren: Was sind Commons, wie entstehen sind? Was sind Institutionalisierungsformen für Commons? Wodurch werden Gemeingüter bedroht, verknappt, vernichtet? Wie bewahrt und vermehrt? Was ist zur Eigentumsfrage zu sagen und -die Frage aller Fragen- was wäre eine commons based society/economy?

Hier ein paar interessante Schlußfolgerungen: 

Erstens: „Commons (GemeinGÜTER) sind eher keine Güter!“ Stimmt, wir werden uns doch noch einen anderen Begriff ausdenken müssen!

„Sie sind nicht mit der ökonomischen Dimension zu fassen, sondern sie sind auch kulturelle Einstellungen, soziale Bindungen, normative Einstellungen, institutionelle Vereinbarungen.“

Zweitens: Gemeinressourcen können nicht nur übernutzt, sie können auch unternutzt werden, z.B. durch den Staat, auf Grund der Gesetzeslage oder durch Lizenzen zur privaten Nutzung. Übernutzung und Unternutzung sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide gleichermaßen problematisch, denn:

„Die materiellen natürlichen Gemeinressourcen sind notwendige, keineswegs hinreichende Bedingungen für das Bestehen der Menschheit. Aber ohne immaterielle Gemeinressourcen wäre menschliches Leben nur Vegetieren.“

Drittens: Weder Staat noch Markt allein:

„Gemeingüter dürfen nicht exklusiv den Austauschformen bisheriger kommerzieller Märkte überlassen bleiben, noch sollte der Staat quasi die Vormundschaft zu ihrer Sicherung übernehmen.“

Viertens:

„Wissen kann niemandem gehören, ebenso wenig wie die Luft niemandem gehören kann. Das garantiert auch das Urheberrecht und das Copyright. Wissen, Ideen, Fakten, Theorie… sind frei und werden nicht über das Urheberrecht geschützt.“

Fünfens:

„Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die eigentlich die Rechteinhaber der Commons sind (d.h. alle, die davon betroffen sind), deren Organisation, die Verteilung der Nutzungsrechte und die Verteilung der für die Nutzung erbrachten Kompensationsleistungen selber in die Hand nehmen.“ … und zwar auf öffentlichen freien Austauschmärkten. Nur dort werden Wissen (und auch Information) nicht als Ware, sondern als Gemeingut betrachtet.

Sechstens: Zur Frage: Ist nicht nur Wissen, sind auch Informationen ein Commons? Ja.

„Verfügbar ist Wissen nur dann, wenn man Zugang und Zugriff (access) auf die Wissen repräsentierenden Wissensartifakte / Informationsprodukte hat.“ (also das Buch, die CD usw.)

„Auf öffentlichen, freien Austauschmärkten werden Wissen und Informationen nicht als Objekt gehandelt, sondern als Commons verteilt, ausgetauscht, erweitert… und vebleiben so auch als Eigentum im Commons.“

Dies geschieht mit der Konsequenz, dass nur EINFACHE KOMMERZIELLE NUTZUNGSRECHTE abgetreten werden können, die Allgemeinheit wird für die Leistungen, die sie für die Wissensallmende erbringt, entschädigt (monetäre Beiträge zur Wissens- und Kulturproduktion, steuerfinanzierte Maßnahmen, freeconomics), und die Möglichkeiten der freien Nutzung und Entwicklung werden erweitert.

Im Gegensatz dazu: Exklusive kommerzielle Nutzungsrechte (wie bisher) verknappen Wissen und Information und verhindern die Entschädigung bzw. Rückgabe an die Allgemeinheit.

Siebtens:

Über Modelle einer am Allgemeininteresse orientierten Wirtschaft (commons-based economy) soll es möglich sein, aus den Aporien („Sackgassen“) der Privatisierung mit exklusivem Eigentumsanspruch einerseits und der umfassenden staatliche Kontrolle und Besitznahme andererseits herauszukommen.

Achtens:

„Die Organisation der Nutzung der Gemeinressourcen steht an einem Scheideweg.“ Deswegen:

Information darf nur soweit zur (handelbaren) Ware werden, wie „der Zugriff auf und die Nutzung der Commons Wissen und Information gesichert bleiben“.

oder als „Forderung an die Märkte: Geschäftsmodelle der privaten Verwertungsansprüche müssen unter dem Primat des freien Zugriffs (OA) betrieben werden“ und zwar in der paradox anmutenden Erwartung

„dass umso mehr mit Wissen und Information verdient werden kann, je freier der Zugang auf sie gemacht wird.“

Foto: R.Kuhlen, GNU Lizenz für freie Dokumentation,
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:RainerKuhlen0105.jpg&filetimestamp=20050106201035

6 Gedanken zu „Information: Droge, Ware oder Commons

    • Ich wollte den Marktbegriff nicht auf die kommerziellen Verwertungsmärkte beschränken und habe dafür eben die öffentlichen freien Austauschmärkte vorgeschlagen. Öffentliche Austauschmärkte müssen nicht frei sein, freie Märkte nicht unbedingt öffentlich (oder?). Austauschmärkte alleine erschien mit nicht spezifisch genug. Vielleicht gibt es einen besseren Vorschlag dafür.

      • Das Besondere der Informations-Commons ist, dass sie gar nicht getauscht werden, sondern frei zirkulieren. Deswegen ist der Marktbegriff (der für Tausch steht) unpassend, und der Austausch-Begriff verdoppelt das sogar noch.

        Hm, vielleicht einfach »freie Zirkulation«?

        Interessant, dass an vielen Stellen die herkömmlichen Begriffe nicht hinreichen, sobald es um Commons geht.

  1. Die Präsentation als ppt? Das ist doch wohl ein Widerspruch zum Anliegen! Gibt es die Präsentation auch in einem demokratisch akzeptablen Format?

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