Pat Mooney: Breitbandprivatisierung

Wenn Pat Mooney spricht, klingt das immer etwas nach Science F(r)iction. Mooney sieht nur noch wenig, doch alle anderen Sinne arbeiten schnell und genau; scheinbar ohne Unterlass. Der alternative Nobelpreisträger aus Kanada ist in jedem Moment, bei jedem Essen umringt von KollegInnen, Netzwerkern oder Kritikern. Letztere müssen gut vorbereitet sein, um sich mit ihm auseinanderzusetzen.

Kaum eine andere zivilgesellschaftliche Gruppe weltweit verfügt über so umfassende Kenntnisse internationaler Verhandlungs- und Forschungsprozesse (im Bereich, Ernährung, Landwirtschaft, Biodiversität, Neue Technologien) wie die von Pat Mooney gegründete ETC-Group.

Am 21.05.08 in Bonn hat Mooney in Bonn einen eindrucksvollen Stehgreifvortrag zu den „new enclosures of the commons“ gehalten. Also zu Einhegungs- und Privatisierungsprozessen der Gemeinschaftsgüter, die bislang kaum erkannt, geschweige denn öffentlich diskutiert sind.

Hier gibt es die komplette Aufzeichnung auf englisch (28,30 min + Diskussion; das vierte Video.) Und hier im blog skizziere ich die Rede (längere Zitate in englischer Sprache) mit links zu Hintergründen und weiterführendem Material.

Mooney könnte stundenlang über die Welt von Morgen reden. Ich könnte stundenlang zuhören.

„Die nächsten 30 Jahren werden nicht gerade angenehm, aber ich bleibe Optimist. Manchmal frage ich mich warum; ist vielleicht ein genetischer Defekt. Doch ich hoffe, dass wir beweisen werden, dass wir Menschen sind.“

So reagiert Mooney auf die erste Frage aus dem Publikum nach folgendem Vortrag:

Obwohl das internationale Vertragsunwesen blüht, gehen die commons den Bach runter. Mooney sagt dennoch: „Wir brauchen noch mehr Papier, noch mehr Verträge, noch mehr Abkommen und Verhandlungsprozesse.“

Er hat seine Gründe:

„Der Klimawandel kommt einigen Interessen gerade recht, denn er sorgt für neue Möglichkeiten der Privatisierung der commons, mit denen Sie gar nicht rechnen würden. In anderen Größenordnungen, als die, mit denen wir uns bislang auseinander gesetzt haben.“

Ähnlich sieht es in anderen Bereichen (jenseits der Klimadebatte) aus. Also brauchen wir Verhandlungen, in denen die Karten auf den Tisch kommen, „um überhaupt die Löcher im System zu finden, die zu schließen sind…“ und weitere Privatisierungen zu verhindern.

Ich übersetze das so: Was haben wir davon, gegen die ins Auge fallende Privatisierung einzelner Elemente (z.B. eines Gens) zu agieren, wenn wir gar nicht merken, wie so eine Art Breitbandgenpatentierung (durch Patentfamilien) ins Rollen kommt?

Konkret macht Mooney drei leicht zu übersehende Einhegungsprozesse aus.

„the first enclosure is the scientific enclosure, the enclosure in which, because of climate change we have been told, that we need to geoengeneer the planet. We need to take on the responsibility of restructuring the planet in order to survive climate change. The argument has been made by Paul Crutzen (Nobel Price). Even to say that „because the politicians are not doing their job, because Kyoto is clearly a failure, because we cannot trust that we act quickly enough, we need to consider the ridiculous, the unbearable, which is that we have to restructure the planet.“

Die Verfechter der Idee, den Planeten zu manipulieren haben ein starkes Argument auf ihrer Seite.

„We have geoengeneered the planet already, …we know we can do it, the question is only if we can do it right and getting then back to some better order.“

Carbonsequestrierung durch Ozeandüngung mit feinen Eisenpartikel, manchmal im Nanobereich, erzeugt eine Art „Planktonboom“. Der doppelte Effekt, so die Verteidiger der Ozeandüngung (die jüngst herbe Rückschläge einstecken mussten): Mit dem durch das Plankton gebundene CO2 sinken die Temperaturen, was vía Emissionsrechtehandel umgerubelt werden kann.

Das klingt wie eine win-win Situation. Doch wer genauer hinschaut, gerät ins Zweifeln.
Das Absinken großer Mengen CO2 auf den Meeresgrund kann massive ökologische Folgen haben, etwa durch Senkung des pH-Wertes oder die Bildung von „CO2-Seen“, die das Leben in der Tiefe abtöten.

Vier Firmen, berichtet Mooney, versuchen sich auf diesem Weg. Manche mit ernst zu nehmenden, großflächigen Versuchsanordnungen. Niemand kennt die genauen Pläne, aber es war öffentlich geworden, dass 2008 sechs mal 40.000 Quadratkilometer Düngung geplant waren.

International gut vernetzte zivilgesellschaftliche Gruppen haben mobil gemacht, (linke) Regierungen überzeugt und Lobbyarbeit betrieben. Eine der Firmen (ich nehme an Planktos) hat 2007 Konkurs angemeldet. Auch die Vertragsstaaten der Londoner Konvention (gegen die Verschmutzung der Meere) haben sich des Themas angenommen. Und im Rahmen der CBD-Verhandlungen, die Mooney in Bonn beobachtete, wurde ein Moratorium auf großflächige Ozeandüngungsprojekte gefordert und durchgesetzt. Wenn überhaupt, sollten solche Projekte nur zur wissenschaftlichen Forschung zugelassen werden. Das Argument, so die Presseerklärung von ETC:

“Ocean fertilization could lead to toxic tides, lifeless waters and disrupted ecosystems and livelihoods. There is unanimous agreement among the 191 countries here that it is absolutely the wrong way to tackle climate change.”

Selbst die UN Generalversammlung hat schon Bedenken gegen die Düngung der Ozeane angemeldet. Ergo:

„Dieser Versuch über den Umweg der wissenschaftlichen Forschung die commons einzuhegen, kann gestoppt werden.“

Doch wach muss man sein. So berichtet Mooney von der Idee australischen Firma (Ocean Nourishment Corporation, ONC), die phillipinische Zulu Sea mit Harnstoff zu düngen. ONC ist nach Selbstdarstellung eine „ethische Organisation“, die ETC Gruppe sieht das anders. Die Phillipinische Universität hatte dem Vorhaben, das Meer mit möglichst viel Stickstoff anzureichern, bereits zugestimmt. Doch später schoben beide Regierungen -vor allem auf Druck lokaler Fischerorganisationen – dem Unternehmen einen Riegel vor.

Bis weit in ökosensible Kreise hinein, so auch meine Erfahrung, existiert die Vorstellung, angesichts der Dramatik der Krise müsse man evt. vom Gedanken der Nachhaltigkeit abrücken und Umweltleistungen, die den Bach runter gehen, durch technologische Lösungen ersetzen. Es ist die Idee der Beherrschung der Natur, die sich dem allmendreichen Leben in den Weg stellt.

Trotz der in Sachen Ozeandüngung erreichten Erfolge warnt also der ETC Gründer:

„The idea of geoengeneering the planet will carry on. … They will do something with the soils and with the stratosphere. This may seem absurd, but they will do it.“

Der zweite Einhegungsprozess speist sich argumentativ nicht aus dem Klimawandel, sondern aus der Ernährungskrise. Diese dient als Hebel der Verschärfung so genannter Intellektueller Eigentumsrechte. Denn, so interessierte Unternehmen, den Problemen der Lebensmittelproduktion, (die mit dem Klimawandel in einem komplexen Wechselverhältnis stehen) könne man durch Forschung dann am besten beikommen, wenn das Patentrecht ausgeweitet wird. Elefant, ich hör Dich trampeln…

Die Auseinandersetzungen dazu finden auf internationaler Ebene vor allem in der WIPO statt, der Weltorganisation für Intellektuelle Eigentumsrechte. Die „Lösungen für die Lebensmittelkrise“, die sie meinen, sehen so aus:

Six companies, just six, have come together, to develop 51 „patent families“ (531 patents of the companies all in all). They grouped patents. So, wherever we are in the world which patent takes the lead changes, but it always comes down to one of the 51 key patent (up to 55). Those patents are absolutely unique in the world, this has never existed before.“

(Hier findet sich die Liste aller Patentfamilien sowie Hintergrundinformation zum folgenden Abschnitt. (BASF hat 21 dieser Patentfamilien unter Kontrolle, Monsanto 6; gemeinsam kontrollieren sie 3 kleinere Firmen mit weiteren 5. Mit von der Partie sind auch DOWE, DUPONT, SYNGENTA und BAYER.)

BASF hat sich solche Patentfamilien gemeinsam mit Monsanto zusammen gestellt. Das Ganze nennt sich dann: joint research venture for Climate Change in/through Plant Breeding. Die Konzerne leisten sich mit 1,5 Mrd USD das größte und teuerste Pflanzenzüchtungsforschungsprogramm weltweit. Es geht also wirklich um etwas.

Der ETC Gruppe und Mooney hat es an Deutlichkeit noch nie gefehlt. Der alternative Nobelpreisträger spricht vom: „Manhattan Projekt der Pflanzenzüchtung“ – in Anspielung auf das Atomwaffenforschungsprogramm der USA ab 1942 und meint….

„a patent they have obtained in most parts of the world now still pending in a few places, which applies to virtually every food and industrial crop you can think of, from coconut and palm, to coffee and tea, to wheat and rice and maize and beans, and peas and everything else, tomatoes, you name it. So the patent covers everything you choose to eat or you choose not to eat. It also covers every biotic stress imaginable.“
The patent says, that they will take care of that plant, whatever species it is. Whether there is heath or cold, or drought, or salt, you name it. They say, they resolve the problem. The patent isn’t an invention, it isn’t transgenic in the sense that they are gonna move something from one species to another, it is that within each species they have identified an extraordinary long sequence of DNA. They say, they can bring to the surface and they can amplify that DNA, through a transgenic(?) method. So that they can be active in protecting the planet from any kind of stress.“

So that is one initiative that claims the world food supply. But there are 51 (up to 55) of those initiatives! It is an astonish crap to the worlds food supply. The fact that this patent has been approved in Munich (Europäisches Patentamt) and the US a.s.o. means that it has enormous power.

Manche sind nicht so breit wie andere, differenziert Mooney. Manche betreffen nur Getreidearten, andere Zucker, manchmal überlappen sie sich, manchmal geht es um komplett verschiedene DNA Sequenzen und so weiter. Sie beschreiben das als „CLIMATE READY plant varieties“ (man erinnere sich an ROUND UP Ready).

Der Appell Pat Mooneys könnte klarer nicht sein:

„… we cannot allow for that kind of monopoly. We simply cannot let them going away with this. We never have seen patents so broad as this. This is simply against public morality.
Ask to reject these patents!“

Solche Projekte delegitimieren auch Forschungsvorhaben, die wirklich nützlich sein können.

Jetzt die dritte Art der „enclosure“ (der Einhegungen) die wir normalerweise übersehen: Die Privatisierung der Institutionen.

„What has been proposed is… to restructure the UN institutional architecture in adressing food and agriculture. Jeffrey Sachs proposes a unique vertical organized funding mechanism an institutional structure (with Sachs as head?) + full partnership with the largest foundations on the planet moving into food and agricultural issues (Gates, Rockefeller and so on) + partnership recommended with agrobusiness.“

Mooney erinnert an den Beginn der Lebensmittelkrise Mitte der 70er Jahre. Die Ölpreise explodierten (so wie jetzt). Die Umweltkrise trat immer deutlicher hervor; schon damals haben die lebensmittelproduzierenden Länder eine Umstrukturierung der UN vorgeschlagen. Und der Süden wollte für sich selbst sprechen. „Eine Nation eine Stimme“(one country, one vote). So die Idee, die nicht unbedingt den Vorstellungen der Industrienationen entsprach.

Doch das Welternährungsprogramm hat dieser Idee nie entsprochen. Das war immer eine „messed up structure“, ein Durcheinander. Daneben gab es andere Strukturen wie den Internationalen Fond für Agrarentwicklung (IFAD) und den 1974 gegründeten Welternährungsrat (World Food Council), der für normative Fragen zuständig war und inzwischen das Zeitliche gesegnet hat. Es gibt seit einem Viertel Jahrhundert niemanden, der sagen könnte, wo es institutionell hingehen sollte, sagt Mooney. Und nun kommt Jeffrey Sachs.

Die Idee von „one nation one vote“ wird geknackt und eine Art Superorganisation vorgeschlagen, die von privaten Stiftungen und dem Agrobusiness kontrolliert werden soll. In anderen Worten:

The privatization of our public concern over the world hunger.

Und wir kriegen das nicht mal mit! Werden beschäftigt gehalten mit der Frage, woher das Geld für die Lösung der Nahrungsmittelkrise kommen soll. Aber wie das ganze System umstrukturiert (also privatisiert) wird, das geht an uns vorbei, fürchtet Mooney, denn: „Das steht nicht in den Schlagzeilen“.

„Wir müssen zurück zu „mehr Transparenz, zu ‚ein Land, eine Stimme‘, zurück zur Demokratie. Das ist zwar nicht perfekt, aber besser als wenn private Stiftungen und Konzerne die Nahrungsmittelproduktion kontrollieren.“

Was kann und muss aus zivilgesellschaftlicher Perspektive getan werden?

1. Wir müssen jede Art von funktionierenden Gemeinschaften stärken.

2. Die Lösungen kommen von den Peripherien, nicht von den Zentren.

3. Wir brauchen mehr Monitoring auf globaler Ebene!

4. Die lokale und globale Ebene müssen wir in der Analyse miteinander in Verbindung bringen, um die „wunden Punkt im System zu erkennen“ und dort anzusetzen.

Um aber dahin zu kommen und wirkliche Veränderungen zu bewirken, sagt Mooney, „müssen wir uns erst durch diesen ganzen Mist, durch diesen ganzen Unsinn wühlen.“

Es braucht einen langen Atem, denn die nächsten 30 Jahre werden in der Tat nicht lustig.

Die Originalzitate klingen so:

1. By far the most important thing we have to do is to strengthen the periphery, every kind of community (farmer communities, indigenous communities, neighbourhoods, social groupings of diferent kinds and so on) they need to be strengthened in their resiliency so that can maintain their dynamism.“

2. The periphery is also a geographic one: we can survive close to the power centers, but most of the creativity and resilience will be on the edges in the communities around the world. We need to make sure, that our food is still been growing, there are still plants being secured, there is still nature to be cured and restored – but in those communities there is sometimes to much optimism, there are illusions of security!

Illusions need to be shattered. We need to support local activities, access to genetic diversity, exchanges of seeds and germplasm around the world and so on. We need coordination between progressive movements on a municipal not only on a global level (World Fishermens Movement, Via Campesina and so on). (health system – education system – alternative credit system – food system …) – this is critical to survival for the next 30 years.

3. Strengthen our monitoring capacity at the global level. (the local works quite well) We don’t have enough ability for monitoring, we need to track what’s happening at a global scale and try to make sense of those patterns.

4. We need to make the links between the systems (local and global) + identify for media and campaigning those points, where is softness in the system – there is always hope and ideas of how to do it better. For that we have to get through the nonsense and the bullshit really, to make a real change.

foto: on http://de.wikipedia.org/wiki/Pat_Mooney
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7 Gedanken zu „Pat Mooney: Breitbandprivatisierung

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