„(Die) Bewegung in die Commons bringen“

oder: die/den commoner in uns entdecken.

Hier, bei den Nachbarn vom Postwachstumsblog, gibt es eine recht wunderbare Rezension zu unserem neuen Buch, Band II der Commons-Trilogie, die 2018 „abgeschlossen“ sein wird. Ich werde sie ausführlich zitieren, denn gerade im ersten Teil spricht sie essentielle Fragen  der „Innensicht der Commons“an, die uns gedanklich geleitet hat. Zudem gibt es zwei Anmerkungen zu der (nachvollziehbaren) Kritik.

Der Rezensent schreibt:

Commons-Projekte zeigen schon heute im Kleinen wie eine Postwachstumsgesellschaft von morgen aussehen könnte. In „Die Welt der Commons – Muster gemeinsamen Handelns” (2015) stellen Silke Helfrich und David Bollier […] eine erstaunliche Sammlung von mehr als 50 Commons-Projekten und Initiativen aus aller Welt vor. Das Handeln der Commons-Akteur/innen steht klar im Vordergrund dieses Buches, weshalb viel Raum für ihre Erfahrungen und Perspektiven reserviert wird. Die Leser/innen begeben sich auf eine Weltreise von den USA, über Madagaskar, nach Neuseeland, um nur einige der bereisten Länder zu nennen, sowie auf eine Zeitreise, zu der überraschenderweise auch ein Text von Rosa Luxemburg beiträgt.

Der Begriff der „Commons“[i], bzw. der „Gemeinschaftsgüter“, wird bewusst nicht noch einmal diskutiert. Es geht weder um die natürlichen, sozialen und kulturellen Ressourcen als solche, sondern mehr um das gemeinschaftliche Wirken, das „Commoning“, welches alle Commons-Projekte erst ermöglicht. Beim Commoning handelt es sich um einen Lern- und Emanzipationsprozess, durch den Teilnehmer/innen sinnstiftende Erfahrungen des Teilens, Kooperierens und Ausprobierens erleben. Das Narrativ des Menschen als kooperatives Wesen (Homo cooperativus) wird dem egoistischen Nutzenmaximierer (Homo oeconomicus) entgegengestellt. Die Einsicht, dass Commons auch unter widrigsten Bedingungen und oft auch in gesetzlichen Grauzonen entstehen, wird als Zeichen dafür interpretiert, dass Kooperation ein natürliches Bedürfnis des Menschen ist. Der Markt- und Konsumlogik des Kapitalismus, mit seiner künstlichen Vereinzelung von konkurrierenden Individuen, zentraler Machtstruktur, Hierarchiegefälle und Privatbesitz als Normalzustand, werden die Commons-Beispiele mit ihren resilienten und anpassungsfähigen Sozialstrukturen und -prozessen entgegengesetzt.

In diesem zweiten Band ihrer Commons-Trilogie[ii] schaffen die Herausgeber/innen eine solide Grundlage für eine Diskussion um die grundlegenden Muster erfolgreicher Commons-Projekte, wie Vertrauensbildung, Mitentscheidung, Freiwilligkeit, Absicherung gegenüber der Marktlogik, Transparenz, etc. Sie fragen etwa: Wie lassen sich Commons-Muster etablieren, um der Commons Bewegung mehr Wirkkraft zu verleihen, sowie eine größere Verbreitung und Abbau institutioneller Hürden zu erreichen?“

Weiter geht es mit der Frage:

Warum aber scheint es wichtig die Analyse gemeinsamer Muster für die Commons als Bewegung voranzutreiben? […] Es ist bisher keinesfalls üblich, dass Commoners sich auch als solche verstehen und dass Projekte mit ähnlichen Interessen sich vernetzen um Hürden im Entwicklungsprozess besser meistern zu können.“

Das stimmt. Ich rede daher gern vom Prozess der Selbstidentifikation. Sehr oft haben ich erlebt, dass Leute lesen, was wir schreiben und dann sagen: „aber das machen wir doch auch!“ Bingo! Das ist ein Grund dafür, warum gerade eine Diskussione darüber aufkommt, ob man Commons überhaupt als Bewegung verstehen und deswegen um deren Stärkung besorgt sein sollte. Ich persönlich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es darum nicht geht. Wir brauchen nicht noch eine Bewegung neben anderen! Es geht vielmehr darum, die/den commoner in uns und das commoning in unterschiedlichen Alltagspraktiken bzw. Bewegungen zu sehen bzw. sichtbar zu machen und in einen größeren Zusammenhang zu stellen und es dann auf „transpersonaler“, gesellschaftlicher Ebene zu denken. Das ist die Herausforderung. Darum ringen wir. Dass es ein Ringen, liest man dem Buch wohl an einigen Stellen an, aber niemand hat gesagt, dass Paradigmenwechsel einfach geht.:-)

Nochmal anders formuliert:  es geht – zumindest mir – nicht vorwiegend um einen „politischen“l, sondern um einen sehr viel tiefgreifenderen, kulturellen Wandel.

Zwei Schwächen hat dieses Werk leider. Erstens ist es strukturell wenig nachvollziehbar und die von den Herausgeber/innen sicher gut gemeinte Analogie ihres Werkes mit dem Aufbau einer Musikkomposition, schafft leider wenig Klarheit für die Leser/innen. Gerade die Vielfalt der Beiträge, die in diesem Buch zusammen getragen wurden, wirkt sich negativ auf die Nachvollziehbarkeit der Argumentation aus. Zum Glück sind die meisten Beiträge in sich geschlossene Einheiten und können unabhängig voneinander gelesen werden.“

Dazu habe ich eine Empfehlung, die vielleicht Orientierungshilfe gibt: einfach Ouvertüre, Intermezzo I, Intermezzo II und Finale hintereinander weg als ein Stück lesen. Das erklärt die Struktur des Buches und – nicht immer eindeutig – warum welcher Artikel letztlich in welchem Teil steht. Wer zudem verstehen will, wie wir HerausgeberInnen gerade ticken, fährt ganz gut mit der – zugegeben herausfordernden – Lektüre dieses gesamten Framings. Ja, wir verstehen uns als BrückenbauerInnen. Wir haben nicht nur eine Zielgruppe im Kopf. Wir unternehmen tatsächlich den Versuch, die ungewöhnlichen Dinge, die gewöhnliche Menschen tun sowohl für diese, als auch für … ehm… AkademikerInnen zu schreiben. Jenseits der wenig hilfreichen Trennung zwischen Theorie und Praxis.

Fazit des Rezensenten:

Die Leser/innen, die sich ihren Weg durch die gerade im ersten Kapitel eher analytische Sprache schlägt, werden reichhaltig im extensiven Mittelteil des Buches durch eine beeindruckende Vielfalt an inspirierenden Commons-Beispielen belohnt. Trotz potentieller fachsprachlicher Hindernisse ist „Die Welt der Commons” ein hochinspirierendes Werk. Es bleibt zu hoffen, dass viele aktive Commoners die Zeit finden, um dieses Buch zu lesen, und sich durch ein bewussteres Commoning in Zukunft neue Vernetzungen und Innovationsmöglichkeiten innerhalb des Commons Experimentierfelds herausbilden […]. In dieser Zukunftsvision wird es dann vielleicht nicht der Homo cooperativus, sondern der Homo oeconomicus sein, der seine Andersartigkeit rechtfertigen muss und mit institutionellen Widerständen zu kämpfen hat.

Die Welt der Commons. Muster gemeinsamen Handelns, herausgegeben von Silke Helfrich, David Bollier und der Heinrich-Böll-Stiftung, ist 2015 beim Transcript Verlag erschienen. Alle, die sich am liebsten direkt ins Commoning stürzen möchten, können sich noch bis zum 12. März 2016 für die 4. Commons Sommerschule anmelden.

 

PS: DANKE an Niels Jobstvogt.

 

Hinterlasse einen Kommentar