„Wir sind die Urheber“: Der Missbrauch des bestimmten Artikels

Es ist wie beim Sport. Hart und schweißtreibend. Und doch fragt sich, was schweißtreibender ist: ein Buch zu machen oder dessen Lizenz zu erklären?

Unser neuer Commons-Band erschien unter einer Creative-Commons Lizenz (CC-BY-SA). Er darf also vervielfältigt, bearbeitet und zu gleichen Bedingungen (unter einer freien Lizenz) weiterverbreitet werden. Darum geht es!  Um die Freiheit der Gedanken. Um die Freiheit der 90 Autorinnen und Autoren, ihre Arbeit unter eine Lizenz ihrer Wahl zu stellen, statt „alle Rechte vorzubehalten“.*  Und nicht darum, dass der Download „kostenlos“ oder „kostenfrei“ ist, wie man immer wieder lesen kann. Aus dem gleichen Grund fordern Piraten oder Linke auch einen fahrscheinlosen Nahverkehr und keinen kostenlosen Nahverkehr. Es kostet halt immer was.

In der aus dem Ruder laufenden Urheberrechtsdebatte werden diese Unterschiede gern übersehen. Man braucht das Schlagwort von der Kostenlosmentalität offenbar so sehr wie ein feindliches Gegenüber. Das sind entweder die, die alles für lau aus dem Netz saugen. Oder die großen Internetkonzerne. Die feine Differenz, dass die einen eine soziale Praxis haben und die anderen ein Geschäftsmodell, wird dabei gern verwischt. Konzeptionelle Unterschiede zu verwischen ist wichtig, damit alles bleibt wie es ist, obwohl sich alles verändert hat. Oder ist es schlicht Unwissenheit?

Ob Kehlmann, Roche, Adorf und all die anderen „Wir sind die Urheber“-Unterzeichner (welch ein Missbrauch des bestimmten Artikels!) jemals von Freien Lizenzen hörten? Oder von jenen Urhebern, denen die „historische Errungenschaft“ des Urheberrechts eben keine „materielle Basis für individuelles geistiges Schaffen“ garantiert? Der Kleingeist der großen Geister frustriert. Ich bin auch Urheberin.

Halten wir fest: Die Sache ist kostenintensiv und schweißtreibend: Darin (und nur darin) sind sich wohl alle einig. Wegen der Kostenintensität ist unser dickes Buch für eine Bereitstellungspauschale von 24,80 zu haben. Was noch lange nicht heißt, dass die Autor_Innen auch Geld bekommen (nur ich als Herausgeberin bin beteiligt). Aber wir haben ein paar Wissenschaftler_innen dabei. Die bekommen Geld aus Steuermitteln. Andere kriegen Stipendien. Wieder andere sind „Nebenbeikreative“ und dann gibt es noch jene, die sich durchschlagen auf das Bedingungslose Grundeinkommen am Sankt Nimmerleinstag freuen.

Nein. Die Frage, wie Geld in die Haushaltskasse der Kreativen kommt, ist mit einem fahrlässigen Appell nicht beantwortet. Fahrlässig deshalb, weil er so tut, als sei das Urheberrecht ein Recht zum Geldverdienen. Doch das Festhalten am Überkommenen führt nicht zwangsläufig zum Einkommen. Und weil das so ist, können wir als Urheber doch wenigstens eines garantieren: die Freiheit der Inhalte. Für uns Commonsbuchautor_innen ist es wichtig, dass unsere Arbeit so oft wie möglich gelesen wird. Dafür ist eine freie Lizen die beste Strategie.

Die Kosten sind ein ganz anderes Thema, über das immer wieder neu verhandelt werden muss. (Wobei freie Downloads im Netz derzeit auch zu besseren Verkaufszahlen führen. Hier nur ein Beispiel. Freue mich über eine Linksammlung in den Kommentaren).

Aber es ist niemandem mit Appellen gedient, die so tun, als sei das Urheberrecht ein Garant für’s Einkommen. Es sei denn, die Rede ist vom Einkommen der Unterzeichner und ihrer Rechterverwerter. Ein paar Jahre noch.

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Zum „Wir sind die Urheber“Appell in schöner Deutlichkeit Udo Vetter.

Foto Amanda Françozo At The Runner Sports Fragment by Bibikoff

* wobei in der Regel die „vorbehaltenen Rechte“ exklusiv an die Verlage oder Produzenten abgetreten werden.

8 Gedanken zu „„Wir sind die Urheber“: Der Missbrauch des bestimmten Artikels

  1. „Man braucht das Schlagwort von der Kostenlosmentalität offenbar so sehr wie ein feindliches Gegenüber“

    Dabei ist „Kostenlosmentalität“ DAS aus den kapitalistisch organisierten Verhältnissen hervorgehende Rechtsempfinden bzw. dessen Fehlen. Die ehrlich bezahlte Meeresfruchtpizza erscheint als Ergebnis EIGENER Arbeit der Pizza-Konsulmierenden, Bewirken verbesserte Methoden zum Raubbau des Fischbestandes eine Kostensenkung, erscheint ein daraus (natürlich alles andere als nachhaltig) resultierendes Mehr an Meeresfruchtpizza als Steigerung EIGENER Verdienste, als eine Erhöhung des gerechten Lohns für EIGENE Arbeitsmühen bzw. einem Mehr an sozialer Gerechtigkeit. Das über die ökologischen bzw. sozialen Verhältnisse scheinbar erhebene Gefühl der einkaufsparadiesische Unschuld gehört deshalb zum – opiatverdächtigen – Grundrauschen privateigentümlich organisierter Produktions-/Aneignungsweisen. Die von der Konkurrenz ums Aneignen von Geld vermittelten Tauschrechten voran getriebene Arbeitsersparnis um jeden sozialen bzw. ökologischen Preis (der jeweils in Geld nicht ausdrückbar ist) ist DER dem Kapitalismus immanente Fortschrittsmotor – dessen Stinken und Stottern immer mehr Menschen auf den Geist geht.

    Im Falle des Commonsbuches erscheint mir der Anzeiz, über die Umstände der Produktion nachzudenken gerade durch die Möglichkeit der unentgeltlichen Aneignung einer Bildschirmversion neben der Möglichkeit, für die Druckversion mit Geld zu bezahlen, sehr viel größer, Ich bin jedenfalls dankbar für die Möglichkeit, meine wertvollen Zeitressourcen fürs – erkenntnisproduktive – Lesen einsetzen zu können.

    Gruß hh

    • Notwendige Ergnzung:

      dessen Stinken und Stottern immer mehr Menschen auf den Geist geht

      bzw. dass der dabei auch noch unaufhaltsam beschleunigt und als nicht austauschbar erscheint..

    • Es liegt mir auch andauernd auf der Zunge zu sagen, dass Kostenlos- und Geiz ist Geil-Mentalität das Resultat der Transformation von Kultur in ein Produkt der Mediamarktwirtschaft sind. Genau dies betreiben die Wirsinddieurheber aber selber.

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  3. “In der aus dem Ruder laufenden Urheberrechtsdebatte werden diese Unterschiede gern übersehen.”

    In einer Seeschlacht zwischen Piraten und den guten Truppen der königlichen Marine wird nicht gerudert! 🙂

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