Basler Fasnacht: Apokalyptische Allmende mit Kopfladärnli und Ziibelewaje

Während in Jena bei Schnee und Minusgraden lästige Weihnachtspfunde zum Teufel gejoggt werden, bereitet Basel mit Hochdruck den Morgenstraich seiner diesjahrigen Fasnacht vor – für mich ein großartiges Commons-Event! Am frühen Morgen des 22. Februar werden in der historischen Innenstadt sämtliche Lichter erlöschen, kurz bevor Punkt 4:00 Uhr mit dem ohrenbetäubenden Musizieren Tausender Trommler und Pfeifer ein dreitägiges Spektakel beginnt, das dieser Stadt einen unvergleichlichen Charakter verleiht. Die Basler nennen dieses Inferno liebevoll ihre „drey scheenschte Dääg„. Bis zum Morgengrauen ziehen dann mehr als 200 Cliquen, in denen rund 20.000 aktive Mitglieder organisiert sind, in „Larven“ vermummt mit Kopflaternen, Pfeifen und Trommeln durch die prachtvolle mittelalterliche Stadtkulisse und verwandeln diese in ein selbstorganisiertes apokalyptisches Menschengedränge. Hundertausende sind auf der Straße. Die einzige Möglichkeit vom Fleck zu kommen besteht darin, sich ins Schlepptau einer großen Clique zu begeben, die sich mit eindrucksvollen Helebardenträgern den Weg durch die Menschenmassen bahnt.

Das Ereignis zieht mittlerweile Touristen aus der ganzen Welt an, aber Kommerzialisierung ist verpönt – sogar das Beleuchten von Schaufenstern ist als Unsitte verhasst und wird mittlerweile durch die Polizei unterbunden. Die Polizeiverordnung dazu ist eindeutig:

Fasnachts-Montag (Morgestraich) sind Reklame-, Schaufenster- und Restaurationsbeleuchtungen in der Fasnachtszone von 03.30 bis 06.30 Uhr gegen die Strasse bzw. Allmend hin zwingend auszuschalten oder abzudecken.

Nur Kneipen und Wirtschaften, in die sich die erschöpften und durchgefrorenen Cliquenmitglieder nach einigen Stunden zurückziehen um eine warme Mählsuppe oder eine Ziibelewaje zu essen, haben während der gesamten 72 Fasnachtsstunden durchgehend geöffnet. Finanziert wird die Veranstaltung ausschließlich durch den Verkauf von Plaketten (Blagedde), die zwischen 8 und 100 Franken kosten und jedes Jahr neu gestaltet werden. Die Fasnacht kostet keinen Eintritt, aber jeder Basler der etwas auf sich hält (und jeder anständige Besucher selbstverständlich auch) kauft eine, um die Fasnachtscliquen zu unterstützen.

Organisiert wird die Fasnacht seit 1911 hauptsächlich vom Fasnachts-Comité. Diese Form der Organisation ist nicht unumstritten. Aus Unmut über die Arbeit des Comités wurden auch alternative Comités gegründet, so das Comité-2000.

Details zur Fasnacht, in deren Vorfeld ein breites Spektrum an Ereignissen veranstaltet wird (Konzerte, Theater, usw) gibt es in der Fasnachtszeitung … Verzeihung … Zytig.

Schön auch die Musik und die Seiten der traditionellen Organisationen, z.B. VKB, Breo-Clique 1896, Giftschnaigge, Negro-Rhygass.

Auch einige Blogs zum Thema existieren: Fasnacht Twoday, Eidgeniesser, Fasnacht 2010, Webcam Barfüsserplatz, So tönt s Läba, Basler Journal.

Mit Karneval und Fasching hat die Basler Fasnacht übrigens nichts zu tun, obwohl eine gewisse Verwandtschaft zur Alemannischen Fastnacht (z.B. in Rottweil) erkennbar ist.

2 Gedanken zu „Basler Fasnacht: Apokalyptische Allmende mit Kopfladärnli und Ziibelewaje

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